Vom WC aufs Feld: Wie Abwasser unsere Karotten düngt
Klimaplan Landwirtschaft
Was wäre, wenn jeder Ihrer Toilettengänge zu einem Beitrag für das Klima und zu einem Baustein der Kreislaufwirtschaft würde – einem System, in dem nichts verloren geht, sondern dank der Landwirtschaft in wertvolle Ressourcen umgewandelt wird? In Kläranlagen wie jener in Yverdon-les-Bains wird das Abwasser in einen hochwertigen Flüssigdünger aufbereitet. Dank der innovativen CULTAN-Methode kann dieser gezielt in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Der Kreislauf schliesst sich: Sobald das Gemüse geerntet und gegessen wurde, wird es über das Abwasser wieder zu Dünger – und gelangt zurück aufs Feld. In der Schweiz wenden Pionierbetriebe diesen lokalen und umweltbewussten Ansatz bereits an, mit Unterstützung des kantonalen Klimaplans
Wenn Sie die Toilettenspülung betätigen, gelangt Ihr Abwasser in eine Kläranlage. In einigen Anlagen wird daraus mithilfe einer Technologie namens Membranstripping – einem speziellen Trennverfahren – Dünger in Form von Ammonium gewonnen. Eine Vorreiterin in Europa ist die Kläranlage in Yverdon-les-Bains. Sie produziert einen lokalen Dünger, der frei von Schwermetallen und Schadstoffen ist. Dadurch kann die Landwirtschaft nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch unabhängiger von importierten Handelsdüngern wie Nitrat und Ammoniak arbeiten.

Von den Kläranlagen auf die Felder
CULTAN (Abkürzung für Controlled Uptake Long Term Ammonium Nutrition) ist eine innovative Düngemethode, bei der Ammonium aus Abwasser verwendet wird. Anstatt Handelsdünger auf der Oberfläche zu verteilen, wird dieser aus dem Abwasser gewonnene Nährstoff direkt in der Nähe der Wurzeln injiziert. Die Pflanzen nehmen ihn dort auf, wo sie ihn benötigen, wodurch umweltschädigende Emissionen reduziert werden. Ausserdem bleibt Ammonium im Boden stabil im Gegensatz zu Nitratdüngern, die leichter durch Regen ausgewaschen werden. So wird das Risiko einer Wasserverunreinigung verringert, wie eine Studie von Agroscope zeigt.
Landwirtschaft im Dienst der Kreislaufwirtschaft
Mit der Verwertung von Ammonium, das aus Abwasser gewonnen wird, entspricht die CULTAN-Methode vollkommen dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Sie verwandelt ein Nebenprodukt der Wasseraufbereitung in eine wertvolle Ressource für die Kulturen, begrenzt die Stickstoffverluste und stärkt die Autonomie einer nachhaltigen Landwirtschaft, die weniger von importierten synthetischen Düngemitteln abhängig ist.

Freiburger Landwirtschaftsbetriebe gehen mit gutem Beispiel voran
Im Kanton Freiburg haben Christian Moser und Martin Blaser – Preisträger des Klimaplans Landwirtschaft 2024 – ihre Betriebe auf die CULTAN-Methode umgestellt. Obwohl sie zahlreiche Vorteile bietet, erfordert sie gewisse Anpassungen: mehr Lagerraum (aufgrund einer geringeren Konzentration des Düngers) und Spezialgeräte für die Injektion. Das Ergebnis? Eine grössere Autonomie, eine Verbesserung der Bodenstruktur und -fruchtbarkeit sowie eine Verringerung der Nitrat- und Ammoniakemissionen. Das ist mehr als eine Aktion, ein Engagement für das Klima.
Ein Hebel zur Erreichung der Schweizer Klimaziele
Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft gelangt jedes Jahr ein erheblicher Teil der in der Landwirtschaft eingesetzten Düngemittel in die Umwelt, und zwar in Form von Nitrat (das Gewässer verschmutzt), Ammoniak (das die Luft und die Ökosysteme beeinträchtigt) oder Lachgas, einem starken Treibhausgas. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat sich der Bund das Ziel gesetzt, diese Verluste bis 2030 um 20% zu reduzieren. Lösungen wie die CULTAN-Methode existieren, indem sie Effizienz, Nachhaltigkeit und die Aufwertung lokaler Ressourcen miteinander verbinden.
Der Grundgedanke von Mein Klimaplan
Der Grundgedanke von „Mein Klimaplan“ ist die Unterstützung konkreter, lokaler, nachhaltiger und manchmal überraschender Lösungen zum Schutz der Umwelt. Denn jede Handlung zählt – selbst die alltäglichste.
Weiterführende Informationen
Handelsdünger vs. Recyclingdünger
Handelsdünger sind chemisch-synthetische Produkte, die industriell hergestellt werden, um den spezifischen Bedürfnissen von Nutzpflanzen gerecht zu werden. Im Gegensatz dazu werden Recyclingdünger aus sekundären Materialien wie organischen Abfällen gewonnen. Zu diesen recycelten Materialien gehörte früher auch Klärschlamm, der bei der Abwasserbehandlung in Kläranlagen zurückbleibt. Ihre Verwendung als Düngemittel ist in der Schweiz jedoch seit 2006 aufgrund von darin enthaltenen Schadstoffen, insbesondere Schwermetallen, verboten. Eine vielversprechende Alternative besteht darin, das aus dem Abwasser gewonnene Ammonium zu verwerten. Mit der CULTAN-Methode wird das Ammonium direkt in den Boden injiziert und bietet so eine recycelte Nährstoffquelle für die Pflanzen.
Zum Verständnis von Membranstripping in Abwasser
Marcel Pürro, Frédéric Gindroz, Stripping membranaire de l’ammoniaque, Aqua & Gaz [Online]. 2028 [zitiert am 30. Juni 2025]; Band (Nr. 1): Seiten 26 bis 29. Verfügbar: https://www.yverdon-les-bains.ch/fileadmin/documents/ylb/Travaux-Environnement/pdf/Aquaandgaz-strippingmembranaire.pdf?utm_source=chatgpt.com
Weitere Informationen zur Studie von Agroscope CULTAN
Schweizerische Eidgenossenschaft, Agrarforschung Schweiz (Agroscope) [Online]. Die CULTAN-Düngung reduziert die Stickstoffauswaschung im Ackerbau erheblich [zitiert am 30. Juni 2025]. Verfügbar: https://www.agrarforschungschweiz.ch/2023/10/die-cultan-duengung-reduziert-die-stickstoffauswaschung-im-ackerbau-erheblich/