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Oberflächenabfluss und Extremereignisse

Am 11. Juni 2018 wurde Lausanne von einem heftigen Gewitter und einem Hochwasser in Form eines Oberflächenabflusses heimgesucht. In weniger als einer Stunde standen mehrere Quartiere der Stadt unter Wasser. In diesem Artikel erfahren Sie, was ein Oberflächenabfluss ist, welchen Zusammenhang es zur Klimaerwärmung gibt und wie sich das Phänomen vermeiden lässt?

Lausanne unter Wasser

Am späten Abend des 11. Juni 2018 näherte sich eine Gewitterzelle aus südwestlicher Richtung der olympischen Stadt und verstärkte sich über dem Genfersee plötzlich dramatisch. Innerhalb von knapp 10 Minuten fielen nicht weniger als 41 mm, was übrigens einen Schweizer Rekord darstellt. Es handelte sich um ein sehr kurzes Extremereignis, da zwischen 23 Uhr und Mitternacht insgesamt 49,6 mm Wasser fielen.

Die Neuenburgerin Jessica war an diesem Abend bei einer Freundin zu Besuch und erinnert sich noch genau ans herannahende Gewitter:

Wir wollten gerade ins Bett gehen und sahen, wie sich die Signallichter des Hafens aktivierten und eine grosse Regensäule über den See zog. Es war wirklich beeindruckend! Es wurde ganz dunkel und innerhalb von 30 Sekunden ging eine Flut auf das grosse Fenster nieder. Ich konnte draussen praktisch nichts mehr sehen. Das Gewitter war so heftig und plötzlich, dass es fast schon unrealistisch schien
Jessica
Die Gewitterzelle in ihrer höchsten Intensität (rot) vor der Überquerung der Region Lausanne © MeteoSchweiz
Die Gewitterzelle in ihrer höchsten Intensität (rot) vor der Überquerung der Region Lausanne © MeteoSchweiz

Zusammenhang mit der Klimaerwärmung

Diese Art starker Niederschlag, der Überschwemmungen verursachen kann, erfordert eine sehr intensive Zufuhr von Feuchtigkeit. Die Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre wird mit der Klimaerwärmung allerdings zunehmen. Eine wärmere Atmosphäre kann nämlich mehr Feuchtigkeit enthalten (7% mehr pro Grad Erwärmung). Dass die Temperaturen auch in der kalten Jahreszeit höher ausfallen, verursacht zusätzlich einen Anstieg der Nullgradgrenze, was wiederum Regenfälle in höheren Lagen herbeiführt. Dies hat eine Zunahme des Oberflächenabflusses von Wasser aus Höhenlagen und eine Abnahme der Speicherung von Wasser in Form von Schnee zur Folge.

Das Bundesamt für Umwelt BAFU geht davon aus, dass «mit dem wärmeren Klima (Faktenblatt BAFU «Gefährdungskarte Oberflächenabfluss», 2018) mit heftigeren und häufigeren Niederschlägen und somit auch mit mehr Oberflächenabfluss zu rechnen (ist).»

Von Oberflächenabfluss spricht man dann, wenn das Regenwasser nicht versickern kann und deshalb über das offene Gelände abfliesst, was besonders bei starken Niederschlägen der Fall sein kann. Dies kann insbesondere in besiedeltem Gebiet wie in Städten grosse Schäden verursachen (Faktenblatt BAFU «Gefährdungskarte Oberflächenabfluss», 2018). In einer Stadt in Hanglage wie Lausanne können sich folglich bei solchen Ereignissen enorme Wassermengen ansammeln.

Amateur-Video von Guillaume Berto in Lausanne am 11. Juni 2018

Schäden von mehreren Millionen

Genau dieser Fall trat 2018 in Lausanne ein. Gustave sass im Zug nach Hause und erzählt uns, wie er seine Ankunft am Bahnhof erlebt hat: «Da sah ich das Ausmass der Schäden. Die Unterführung stand mindestens 10 cm unter Wasser, das in einer Kaskade über die Treppen floss. Typen in Uniform machten sich an der Rolltreppe zu schaffen, die ausgefallen war. Ich musste meine Schuhe ausziehen, um zur U-Bahn zu gelangen, das sagt alles!»

Ein Extremereignis wie dieses kann gewaltige materielle und finanzielle Schäden anrichten. Die Lausanner Polizei verzeichnete an diesem Abend nicht weniger als 500 Anrufe und 240 Einsätze. Es wurde von umgestürzten Bäumen, Erdrutschen und Trümmern auf den Strassen berichtet. Zum Glück gab es keine Verletzte. Allerdings wurden die Schäden allein für dieses knapp einstündige Ereignis auf 27 Millionen Franken geschätzt.

Antizipation, Wettervorhersagen und Radar

Um den Umgang mit den in der Schweiz mit solchen Gefahren verbundenen Risiken besser zu gestalten, hat der Bundesrat eine nationale Plattform betreffend Naturgefahren namens PLANAT ins Leben gerufen. Diese Plattform setzt sich für eine Verbesserung der Vorbeugung gegen Naturgefahren in der ganzen Schweiz ein. Daneben findet man auf der Website des BAFU eine Gefährdungskarte «Oberflächenabfluss», die zeigt, welche Gebiete in der Schweiz durch Oberflächenabfluss gefährdet sind und wie tief sie unter Wasser stehen können.

Gefährdungskarte Oberflächenabfluss–Web-GIS des BAFU

Solche Extremereignisse, wie z. B. Oberflächenabflüsse, haben in den letzten Jahren auch die Aufmerksamkeit der Wetterdienste auf sich gezogen. Um extreme Niederschlagsereignisse und Hochwasserwarnungen besser vorwegzunehmen, hat MeteoSchweiz seine meteorologischen Radare erneuert, welche die Bodenstationen ergänzen. Sie funktionieren automatisch und liefern rund um die Uhr Echtzeitdaten.

Bewegung der Gewitterzelle vom 11. Juni 2018 nach Nordosten © MeteoSchweiz

Nach einem Ereignis verknüpft MeteoSchweiz auch Radardaten mit den von den Bodenstationen gemessenen Daten, um das Ausmass und die Verteilung des Ereignisses zu ermitteln. Dieses Vorgehen wird in Zukunft bei plötzlichem Hochwasser besonders für den Zivilschutz von Nutzen sein. Es kann ebenfalls archiviert werden und zur Vorbeugung gegen Überschwemmungen beitragen, aber auch der Landwirtschaft, dem Tourismus, der Wissenschaft sowie der Bewirtschaftung der Wasserkraft von Nutzen sein.

Die Standorte der fünf Wetterradargeräte in der Schweiz. Swisstopo
Die Standorte der fünf Wetterradargeräte in der Schweiz. Swisstopo

Über Gefahren informiert werden? Alertswiss hält dich auf dem Laufenden

Gewarnt werden vor Gefahren wie Hochwasser, Sturm, Starkschneefall oder einem Ausfall der Mobilfunknetzwerke? Diese Aufgabe übernimmt die Informationsplattform Alertswiss des Bundes, die es auch als App gibt.

Damit will man die von der Gefahr betroffenen Bevölkerungsgruppen erreichen und auf die korrekten Verhaltensweisen hinweisen. Alle Details dazu finden sich kompakt auf der Website: Gefahren kennen – ALERTSWISS

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